Wie kommt es zu dem »Predigteinfall«, also zu der Idee, die aus den Gedanken mehr macht als einen exegetischen Bericht oder einen systematisch-theologischen Vortrag? Hier helfen Hinweise aus der Kreativitätsforschung und eine bewährte Abfolge einzelner Schritte.
Methodisch kontrollierte kreative Prozesse – und auch die Erstellung eines Predigtmanuskriptes – gliedern sich in diese fünf (bzw. sechs) Schritte:
[■ Annäherung: Erste Fragen, erste Ideen]
■ Recherche- und Analysephase (Modus: Rationalität)
■ Unterbrechung (Modus: Ablenkung)
■ Phase der aktiven Kreativität: methodische Gewinnung von Ideen; erste Umsetzung, etwa in ein Manuskript »Texte I« (Modus: aktive Kreativität)
■ Unterbrechung (Modus: Ablenkung)
■ Entscheidungs- und Überarbeitungsphase, bei Manuskripten »Texte II« (Modus: Rationalität)
Zu Einzelheiten:
0. Die Phase der Annäherung sammelt unsystematisch erste Fragen und erste mögliche Einfälle zur Aufgabe. Jede Frage, jeder Einfall wird gesichert.
1. Die Recherche- und Analysephase dient dazu, klärende Fragen zu sammeln. Antworten auf die Fragen helfen, die Wirkabsicht und das formulierte Ziel noch präziser zu fassen. Zugleich kommen, etwa durch die Recherche, erste mögliche Quellen für Anregungen zum Vorschein. Diese Ergebnisse sollten unbedingt gesichert werden.
Im Zusammenhang der Predigtarbeit haben hier unter anderem alle analytischen Momente zu Text, Topos, Tradition ihren berechtigten Platz.
2. Die Unterbrechung beendet das linear-strukturierte Denken des ersten Schrittes und bereitet auf die «andere« Art des Denkens im folgenden Schritt vor.
3. Die Phase der aktiven Kreativität öffnet (methodisch angeleitet) mit freiem, vielleicht auch chaotischem Denken den Einfällen die Tür. Dazu tragen unterschiedliche Kreativitätsmethoden bei. Gemeinsam ist allen, dass es ausschließlich um Material geht, um die Fülle. Die Frage nach Qualität und Auswahl würde in dieser Phase hindern. Eine erste Umsetzung entsteht, bewusst unfertig, bei Texten am besten in einem Fluss (»flow«).
4. Die zweite Unterbrechung schafft den Abstand zur ersten Umsetzung. Eine schlafreiche Nacht, ein besonnter Spaziergang. Jedenfalls Zeit und Raum zwischen der Rolle der Kreation und der Überarbeitung.
5. Die Entscheidungs- und Überarbeitungsphase ist wieder von linear-strukturiertem Denken geprägt. In ihr werden die Ergebisse der Kreativphase an die Ziele zurückgekoppelt: Was ist zielführend, was könnte noch zielführender werden? Möglicherweise fallen die besonderen Lieblinge der Überarbeitung zum Opfer.
Neben dieser strukturierten Vorgehensweise (und quer zu ihr) gibt es die Dimension der passiven Kreativtät mit freien Einfällen und deren Sicherung auf Zetteln. Diese Einfälle werden in der Phase 3 eingespeist.
Hinweis: Für den dritten Schritt gelten besondere Regeln:
■ Fülle, Fülle, Fülle: Quantität zählt, Qualität ist kein Kriterium.
■ Willkommen: Jeder Einfall ist erwünscht. Auch das Schräge, das Witzige, das Unzusammenhängende. Jeder Einfall wird wertschätzend notiert.
■ Weiter so: Dem ersten Schwung folgt ein zweiter. Ganz bestimmt. Deshalb das erste Einfallstal aushalten und weitermachen.
■ Gut ist gut genug: Das, was heute entsteht, ist gut.