1. Wenn sich eine Person mit dem akustischen und optischen Geschehen der Predigt koppelt (und das muss sie nicht!), dann geschieht immer und unvermeidlich auch eine Rück-Kopplung. Kommunikation zur selben Zeit im selben Raum: Das sind die Kennzeichen der personalen Kommunikation, im Unterschied zur medialen Kommunikation (nicht zur selben Zeit und/oder nicht im selben Raum). Bei personaler Kommunikation erzeugt eine Kopplung immer eine Rückkopplung. Manchmal nur minisch, manchmal auch gestisch, manchmal in der Körpersprache und manchmal auch sprachlich.
Damit ergeben sich vier Dimensionen der Rückkopplungen:
• unmittelbar (in Mimik, Gestik, Körpersprache)
• sprachlich formuliert, eher spontan, eher unreflektiert, eher wertend
• sprachlich formuliert anhand des Modells der resonanzorientierten Rückkopplung
• sprachliche Verständigung über Verfahren und Regeln (Meta-Ebene)
2. Wenn die Beteiligten eine ausdrückliche und ausgesprochene Rückkopplung verabreden, etwa im Rahmen eines Nachgespräches oder einer (kollegialen) Beratung, dann kann sich diese unterschiedlicher Hintergrundmodelle bedienen:
Bezug Modell »funktionaler Text« (Adressat, Wirkabsicht und Ziel)
■ Inwieweit ist das Manuskript (als Grundlage einer späteren Performanz) aus meiner Sicht geeignet, das Ziel zu erreichen (Zur Erinnerung: »Ziel = Zustand, in den der Adressat/die Adressatin geraten sein wird?«)
Bezug Modell »vier Seiten einer Mitteilung« (Schulz v. Thun)
Entsprechende Dimensionen der Rückkopplungen
■ Welchen Inhalt habe ich als hörende Person gehört?
■ Welche Selbstaussage des/der Absender*in habe ich als hörende Person gehört?
■ Welche Vorstellung von der Beziehung zwischen Autor*in und Adressat*innen habe ich als hörende Person gehört?
■ Welchen Appell habe ich als hörende Person gehört?
Bezug Modell »homiletisches Fünfeck«
Rückkopplungen auf (vor allem) inhaltlicher Ebene mit folgenden Fragestellungen (exemplarisch)
■ Perspektive Text:
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in sich dem biblischen Text exegetisch angenähert hat?
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in die wesentlichen Aussagen und Fragen des
biblischen Textes aufgenommen hat?
■ Perspektive Topos und Tradition:
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in den biblischen Text dogmatisch durchdrungen hat?
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in den biblischen Text ethisch durchdrungen hat?
■ Perspektive Adressat*in:
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in Adressat*in und ihre/seine Gegenwart im Blick hat?
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor* die Inhalte zielführend gestaltet?
■ Perspektive Autor*in:
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in vor Text, Tradition und Adressat*in verantwortliche Entscheidungen getroffen hat?
• Inwiefern ist erkennbar, dass Autor*in im Manuskript eine erkennbare und stimmige Position bezieht?
■ Perspektive Gottesdienst als Rahmen:
• Inwiefern beziehen sich Predigt und die anderen liturgischen Elemente aufeinander?
• Inwiefern beziehen sich Predigt und Raum aufeinander?
■ Perspektive heiliger Geist:
• Inwiefern bleibt das Manuskript offen für Wirkungen des heiligen Geistes?
• Inwiefern bewahrt das Manuskript die hörende Freiheit der Hörenden?
Bezug Modell »Wirkfelder«
Welche Felder haben die Hörenden / Mitfeiernden in besonderer Weise wahrgenommen und mit welchem Pol besonders stark?
■ (sich) deuten
• selbst bestimmen X sich in etwas Größeres fügen
• mit eigenen Augen sehen X mit Gottes Augen schauen
• …
■ (sich) orientieren
• für mich selbst sorgen X für andere sorgen
• tätig sein X still werden
• …
■ (sich) empfinden
• wiedererkennen X überrascht werden
• entspannt sein X gespannt sein
• …
■ (sich) begegnen
• sich nahe kommen X zu sich auf Distanz gehen
• im Alltag sein X dem Heiligen begegnen
• …
Bezug Modell »dramaturgische Homiletik«
(Fragestellungen hier nur in Auswahl)
■ Perspektive Structure:
• Unterschiedene und unterscheidbare Textformen?
• Erkennbare Dramaturgie?
• Anschlussfähig an Adressat*in?
• Zielführend?
• …
■ Perspektive Move:
• Erkennbarer Anfang, erkennbares Ende?
• Eine erkennbare Textform, durchgehalten, mit stimmiger Sprache?
• Dramaturgie, eventuell Spannungsbogen innerhalb des Moves?
• Anschlussfähig an Adressat*in?
• Zielführend (innerhalb des Moves)?
• …
3. Im Vollzug kann sich dann die ausdrückliche und ausgesprochene Rückkopplung an das Modell der »rückkoppelnde Resonanz« anschließen:
■ In Anlehnung an das Modell der »Gewaltfreien Kommunikation« (Marshal B. Rosenberg) mit der Unterscheidung von »Wahrnehmung« (möglichst intersubjektiv vermittelbar), »Wirkung« (deutlich subjektiv) und »Wunsch« (handlungsbezogen), dabei die in der Äußerung die Chronologie des eigenen Erlebens (Wirkung – Wahrnehmung) umkehrend
■ Für die Rückkopplungen möglicherweise noch fokussiert mit der Frage nach dem »Auslöser«: »Welche Wörter, welche Wendungen, welche Bilder, welche Gedanken haben bei mir diese Wirkung ausgelöst?« (wobei ich für die Wirkung die Verantwortung trage – es ist »meine Wirkung«)
■ Für die Rückkopplungen möglicherweise noch vertieft mit der Frage nach dem eigenen Referenzrahmen (Erfahrungen und Erwartungen, Modelle und Regeln): »Welche meiner eigenen Referenzen tragen zu dieser meiner Wirkung bei?«
■ Aus diesen Aspekten würde sich folgende praktische Abfolge der sprachlichen Rückkopplungselemente ergeben:
• »Wahrnehmung« (möglichst intersubjektiv vermittelbar)
• »Wirkung« (deutlich subjektiv)
• »Referenz« (im Regelfall deutlich subjektiv)
• »Wunsch« (handlungsbezogen)
4. In der praktischen Arbeit lassen sich diese Modelle gut verschränken. Das erste Modell (funktionaler Text: Ziel und Zielführung) könnte als Beobachtungskorridor (»Referenz«) weitere Modelle einspuren. Das Modell der »rückkoppelnde Resonanz« könnte vor allem das konkrete Denken/Sprechen formen.